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Radtour durch Masuren PDF Drucken E-Mail

Eindrücke und Erlebnisse einer Fahrradtour
im Herzen der Masuren vom 3. bis 10. Juni
2000

Die Tour begann Anfang Juni 2000 nordöstlich von Mragowo (Sensburg).

Die Sonne brennt von einem tiefblauen Himmel (wie man ihn ansonsten nur aus mediterranen Bereichen her kennt), aber unter dem dichten Blätterdach der Linden, die den Straßenrand säumen, bleibt es auf dem Weg in nordwestlicher Richtung erfrischend kühl. Nach einer sanften Abfahrt blinkt links der Spiegel eines mit Schilf umkränzten Sees.

Wenige Meter weiter das gleiche Bild auf der rechten Seite. Zwischen beiden Seen eine vielfarbige sumpfige Niederung.

Wieder ein leichter Anstieg und der Blick fällt auf eine unendlich weite wellige Landschaft: Felder, Wiesen, einzelne Baumreihen, Waldränder am Horizont.

Weiter geht es auf Feldwegen, die meisten von Hecken umsäumt und über Landstraßen, die fast ausnahmslos von großen alten Bäumen beschattet werden. Vor den fernen Wäldern aber kommt wieder eine Senke mit einem neuen See. Das Wasser ist glasklar und es lohnt eine Rast in der Blumenwiese am Schilfufer. Zurück zur Landstraße bleibt der See zur linken Seite noch lange sichtbar. Dann dichter Wald und plötzlich wieder neue silbrige Wasserflächen rechts der Straße.

So geht es bis zum Wallfahrtsort „Heiligenlinde“. Der Sage nach hat dort ein Sträfling für seine Begnadigung eine Marienfigur geschnitzt und an einer Linde angebracht. Diese Figur bewirkte in der Folgezeit Wunder, ließ sich aber nicht mehr von dem Baum entfernen. Um diese Statue in eine Kapelle einzubringen, musste diese um die Linde herum gebaut werden.

Etwas weiter war in ca. 100m Entfernung zu beobachten, wie ein junger Fuchs durch ein noch niedriges Getreidefeld auf einen Storch in der Mitte des Feldes zulief, dort angekommen jedoch eine fürs Leben prägende Erfahrung machte. Der Storch blieb auf einem Bein seelenruhig stehen und machte nur einmal eine “pickende“ Bewegung in Richtung Fuchs. Ob oder wie er den Fuchs traf, war nicht zu erkennen, wohl aber, dass dieser daraufhin abdrehte, in hohen Sätzen davonsprang und sich schleunigst entfernte.

Die Stadt Reszel (Rössel) liegt erhöht an einem kleinen Fluss. Über dessen steilem Südufer erhebt sich die Ruine einer mächtigen Burg aus dem frühen Mittelalter.

Die Mauern sind ein Gemisch aus Feld- und Ziegelsteinen. Vom gut restaurierten Wehrturm ist der weite, aus Wäldern, Feldern und Wasserflächen bestehende Flickenteppich dieser Landschaft gut zu überblicken. Eingebettet in diesem Teppich liegt zu Füßen der Burg das Städtchen. Es wirkt ausgestorben wie ein Überbleibsel aus dem Mittelalter. Das einzige „empfohlene“ Café ist geschlossen.

Auf der Weiterfahrt wird der Boden sandiger, Heide macht sich breit. Die Hügelketten werden kürzer und flacher, dazwischen kleine saftige grüne Senken. Hinter einem Hügel ertönt der Schrei eines Kranichs. Wenig später können zwei dieser Vögel bei einem „Begrüßungstanz“ beobachtet werden.

An einem kleineren See sieht es aus, als ob sich der Uferhang abwärts bewegt. Abertausend kleine braune, kaum Fingernagel große Kröten krabbeln und kriechen zum See: Futter für die nächste Stor-chengeneration!

Ankunft in Ketrzyn (Rastenburg), dann Stadtbummel durch auffallend menschenleere Straßen; von einem städtischen „Nachtleben“ – oder was auch immer - ist nichts zu spüren.

Am nächsten Tag geht es durch grünen Mischwald in Richtung Wolfsschanze. Verstreut im frischen grünen Wald liegen wie riesige „Felsbrocken“ die gesprengten Bunker des ehemaligen Führerhauptquartiers. Alles ist auf einen großen ausländischen Besucherstrom eingerichtet. Hier ist  auch der einzige Ort, an dem Papiertüten, Getränkeflaschen und Dosen wie auch an deutschen Rastplätzen herumliegen. Kurzer Halt, ein wenig Geschichtstalk zwischen Dieter und uns, dann weiter, so entschloss sich die Gruppe.

Auf Nebenwegen in östlicher Richtung durchfährt man eine Landschaft, die märchenhaft unberührt wirkt. Die sandigen Hügel werden flacher, die saftigen in allen Grüntönen schillernden Senken werden breiter. Es ist das Land der Störche! Im nächsten Dorf mit mehreren zum Teil verfallenen Häusern sind weit über 10 Nester auf Dächern und abgestorbenen Bäumen zu  zählen. Auch auf den Telegrafenmasten rechts und links des Weges neue Nester. Immer wieder sind Futter suchende oder ihre Jungen fütternde Störche zu beobachten.

Die Wege sind sandig oder mit „Kopfsteinen“ gepflastert, aber zumeist existiert ein halbwegs fest gefahrener „Radweg“. Dann der Blick auf einen endlos erscheinenden See. Eine stille schilffreie Bucht lädt zum Baden ein. Der Schatten großer Weiden verführt zu einer längeren Rast. Das Wasser ist glasklar, bis weit in den See hinein sehr flach und erstaunlich warm.

Weiter geht es an uralten Linden entlang. Deren Blüten werden gerade abgeerntet. Ein neuer See mit einem im Bau befindlichen Jachthafen taucht auf. Davor ein „Gut“ mit einem zerfallenen Herrenhaus und einer „modernen“ Bar im alten Schafstall.

Auf einem Damm führt der zur Landstraße gewordene Weg zwischen dem Darginen- und Mauer See durch. Sumpfwald rechts und links, dazwischen saftige Wiesen. Eine brüllende Kuh wird gemolken. Wenig später bringt die Bäuerin die Milch mit dem Fahrrad ins nächste Dorf.

Wieder ein festgefahrener Radpfad entlang einer holprigen Landstraße, dann sandige Heidewege durch dürre Kieferwälder. Doch nach kurzer Zeit wieder ein neuer See und frisches Grün.

Entlang intensiv genutzter Felder gelangt man nach wenigen Kilometern nach Gizyko (Lötzen). Unterkunft ist ein halbes Doppelhaus, das zu einer kleinen Pension ausgebaut wurde. Das Abendessen, eine Krönung: Geschmorter Kohl mit Speck- und Fleischwürfel und vielen verschiedenen Gewürzen, abgelöscht mit Rotwein, Bigos. Davor eine würzige Vorsuppe, danach diverse Nachgerichte. Auch ausgehungert schafft man nur die Hälfte! Nach dem Abendessen ein kleiner Spaziergang durch die blumenreichen Schrebergärten von Lötzen.

Das Frühstück, die nächste Überraschung: Feine Crêpes mit unterschiedlichen Füllungen, dazu die „üblichen“ Riesenteller verschiedener Käsesorten, Wurst und Fleischwaren - es war wieder nicht zu schaffen!

Es regnet am 3. Tag und Regen macht Radfahren nicht lustiger. Trotzdem ist der Wochenmarkt in Lötzen ein kleines Erlebnis. Es überwiegen die Stände mit Obst und Gemüse sowie Kleidung und Textilien. Ungewöhnlich aber sind die Auslagen von Werkzeug und Kleineisenwaren aller Art, wie Zahnräder, Schrauben, Schlösser usw.

Auf dem Weg zum Westufer des Löwentin Sees sind die zu einem Park umgewandelten alten Festungsanlagen sehenswert. Es lohnt sich auch der Weg nach Mikolajki (Nikolaiken), dem sogenannten Zentrum Masurens.

Man kann entweder mit dem Dampfer über den Löwentin See oder mit dem Fahrrad am Westufer des Sees entlang fahren; in beiden Fällen sind es ungefähr 45 km.

Die Landschaft ist außerordentlich abwechslungsreich. Der Uferstreifen ist meist mit Weidengebüsch bewachsen, dahinter wechseln sich Wiesen und Wälder miteinander ab.

Mit Mohn- und Kornblumen überwuchert, blutrot und blau gefärbt, überziehen Getreidefelder die Hanglagen vor Mikolajki; sicher nicht zur Freude der Bauern, aber ein herrlicher Anblick für alle, die hier vorbei fahren.

Mikolajki ist ein ausgezeichneter Ausgangsort für unterschiedliche Ausflüge. An diesem Tag kombinierten wir die Radtour mit einer Kanufahrt auf der Krutynia.

Der Weg von Mikolajki nach Krutyn führt ausschließlich durch Wald. Es ist ein schöner Mischwald mit teilweise reinem Buchenbestand. Auf den nicht allzu häufigen Lichtungen können immer wieder Wildtiere, vor allem Rehe, beobachtet werden.

Von Krutyn fließt die Krutynia durch urwaldartige Auwälder nach Süden. Nach einem Bogen in nordöstlicher Richtung geht es bis Ukta durch Felder und Weideland. Die Ufer sind häufig von dichten Schilfgürteln verdeckt.

Gelbe und weiße Seerosen blühen am Schilfrand und überziehen ganze Buchten. Schwärme tiefblauer Libellen schwirren über dem Wasser. Auf dem Wasser schwimmen Haubentaucher, Enten und Schwäne. Hin und wieder sind Störche, Reiher und verschiedene Greifvögel, aber auch Marder und andere Tiere am Ufer zu beobachten.

Boote können in Krutyn geliehen und auf dem Landweg von Ukta zurück transportiert werden. Mit dem gleichen Wagen können die in Krutyn zurückgelassenen Fahrräder nach Ukta gebracht werden. Damit wird die Rückfahrt nach Mikolajki auf anderen Wegen, durch andere Teile dieses riesigen Waldgebietes möglich. Dieser Teil Masurens, südlich von Mikolajki, ist jedenfalls sehr waldreich.

Vorwiegend durch Wälder führt auch die Tour von Mikolajki nach Ruziane–Nida.

Auf einem „Radweg“ am Westufer des Nikolaiker Sees (dessen zerfahrene Sandoberfläche gerade von einer Planierraupe geglättet, aber leider nicht verfestigt wurde) kommt man auf dem Weg nach Popielno (Popielnen) zu einer Fähre, die stündlich einmal den Beldany See überquert.

Die Fähre, von einem Drahtseil geleitet, wird von einem museumsreifen Dieselmotor angetrieben, während der Fährmann in aller Ruhe alte Dielen aus dem Fährboden reißt und durch neue ersetzt. In Popielno befindet sich eine Forschungsstation, die sich mit der Rückzüchtung von Wildpferden und der Wiederansiedelung von Bibern, hier allerdings in “Betonbunkern“, beschäftigt. Diese Station am Ufer des Spirdin Sees bietet auch einen guten Ausblick auf den größten See Masurens.

Für kurze Zeit sind die Waldungen in Wejsuny (Weissuhnen) unterbrochen.

Sehenswert die evangelische Kirche und ein noch gut erhaltenes altes masurisches Holzhaus, in dem eine ehemalige Lehrerin dieses Ortes eine umfangreiche Sammlung alter Gebrauchsgegenstände, von Spinnrädern bis zu Butterfässern, aufbewahrt (sehenswert).

Die Weiterfahrt nach Ruciane-Nida führt wieder durch dichte Wälder.

Empfehlenswert ist südlich von Ruziane-Nida eine Fahrt am Ostufer des Jezioro Sees entlang durch die Johannisburger Heide. Am Ufer dieses Sees gibt es ausgezeichnete Badeplätze.

Die „Rückfahrt“ an Ukta und Mragowo vorbei ist die längste Tour. Sie führt durch eine sehr reizvolle, bergig hügelige Landschaft, die tief eingeschnittene Seetäler aufweist. Sehenswert auf dieser Strecke ist vor Ukta das griechisch orthodoxe Kloster und die neue russisch orthodoxe Kirche in Wojnowo (Eckertsdorf).

Das Kloster, malerisch von einem kleinen See und anschließendem Sumpf umschlungen, beherbergt noch zwei alte Nonnen. Die Kirche am anderen Ende des Dorfes soll noch acht Familien aus dem gesamten Gebiet zu ihren Gemeindemitgliedern zählen.

Sehr bunt, mit vielen handbestickten Tüchern, aus Holz gefertigten Souvenirs und Bernsteinschmuck aller Art im Angebot, ist auch der kleine Markt in Krutyn. (Erstaunlicherweise gibt es auf allen diesen Märkten außer selbstgeschleudertem Honig keine Lebensmittel und Getränke).

Eine letzte Rast gibt noch einmal Gelegenheit eines der schönsten Seepanoramen zu genießen. Gerade diese Seenkette, die in sanfte, größtenteils mit Wiesen bedeckte Hügel eingebettet ist, vermittelt vor allem bei Sonnenunter- und Aufgang eine außerordentlich eindrucksvolle Stimmung.

Am letzten Abend wurden Eindrücke, Erlebnisse und Empfindungen der Masurenradtour

in Form eines Gedichtes von Joseph v. Eichendorff wiedergegeben:

Es war, als hätt’ der Himmel

die Erde still geküßt,

daß sie im Blütenschimmer

von ihm nur träumen müßt.

Die Luft ging durch die Felder,

die Ähren wogten sacht,

es rauschten leis die Wälder,

so sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte

weit ihre Flügel aus,

flog durch die stillen Lande,

als fliege sie nach Haus.“